fantasy, warrior, female

Die letzte Heldin I

1222,Frutigen

Geschrei… Hufen klappern… Ritter… Falken…. Ich öffne meine Augen. Ich schaue an die hölzerne Diele über mir. Ich erinnere mich an meinen Traum, von letzter Nacht… Ich selbst war in diesem Traum in einer Rüstung und stand auf einem Berg. Hinunterblickend auf ein Heer, grösser als unser ganzes Dorf. Prachtvoller als die imposanteste Rüstung. Auf meiner Schulter ein Falke mit ausgebreiteten Flügeln… Immer wenn ich nach diesem Traum erwache, bin ich schweißgebadet. So wie heute Morgen.

Ich stehe auf und betrachte mich im Spiegel und lausche dem Gesang der Vögel. Ich bin sehr gross und kräftig gebaut. Ich habe langes braunes Haar und grüne Augen. Meine Augen habe ich von meinem Vater. Mein Vater war ein Rebell und kämpfte für Gerechtigkeit. Er musste für seine Heldentaten mit seinem Leben bezahlen. Das ist ewig her…. Heute beginnt ein Tag wie jeder andere… „Eluuuraaa…!“ Meine Mutter ruft mich. Ich ziehe mir meine Schürze über und trete auf den Flur. Meine Familie lebt sehr bescheiden an der Kander in einem kleinen Bauernhaus. Ich und meine Mutter marschieren jeden Tag zur Burg des Fürsten und putzen und schuften den ganzen Tag.

Heute ist wieder so ein Tag. Ich gehe hinunter in die Küche und schnappe mir ein Brot und ein Stück Käse. Da kommt auch schon meine Mutter. „Hallo Elura. Gut geschlafen?“ Ich antworte ihr nicht ganz ehrlich, den von meinen Träumen habe ich bis jetzt niemandem erzählt. „Ja gut…“ lüge ich. Meine Mutter sieht mich nur fragend an… Doch ich weiche ihrem Blick aus und trete hinaus auf die belebte Dorfstrasse. Es spielt sich jeden Morgen genau das gleiche ab. Alle Leute müssen hart arbeiten und Steuern für unseren geizigen Fürsten bezahlen. Ich ertrage diesen Anblick einfach nicht. Der Fürst lebt mit seinen beiden Söhnen in Gold und Reichtum, wir unten im Dorf schuften und werden ungerecht bezahlt. Jeden Morgen das gleiche Schauspiel auf den Strassen von Frutigen.

Ich laufe die Dorfstrasse entlang bis zur alten Mühle. Von dort aus nehme ich den kleinen Kiesweg bis zum Bauernhaus neben der Burg Ry. Ich setze mich auf eine Bank und warte auf Madame Dussu, meine Vorgesetzte. Plötzlich höre ich Hufen auf dem Kies aufschlagen. Ich drehe mich um und blicke in die Augen des älteren Fürstensohns. Er hat blau-grüne Augen. Wie jeder Falkenritter. Nur die Angehörigen der Fürstenfamilie können jemals zu Falkenrittern ernannt werden. Die Aufgabe dieser Ritter ist es, die Familie und das Dorf zu beschützen. Jeder Falkenritter hat einen Falken, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt. Es gibt eine Legende, die besagt das früher die Falkenritter die Kontrolle über den Wind und das Wasser hatten. Doch diese Geschichten stehen nur in alten Büchern in der Burgbibliothek. Manchmal schnuppere ich ein bisschen herum, bis mich Madame Dussu erwischt und mich zusammenstaucht. Dann muss ich manchmal noch extra lange arbeiten. Doch das ist es meistens Wert… Denn ich liebe es Geschichten von früher zu lesen. Am liebsten mag ich die Geschichte einer Frau, die Fürstin wurde, obwohl sie arm aufgewachsen ist…

Jetzt dreht sich der ältere Fürstensohn um. Manico heisst er, und steigt von seinem Pferd. Er hat einen schönen Wallach, der elegant die Mähne schüttelt. Manico stolziert zu der Burg. Unterwegs verbeugen sich alle vor ihm. Doch nur ich nicht… Als er an mir vorbei läuft, sieht er mich fragend an… Doch dann lächelt er nur und läuft weiter. Bei anderen Fürstenfamilien hätte so ein Verstoss gegen die Regeln mir das Leben kosten können. Doch Manico will nur mit mir spielen und seine Macht an mir ausüben…! Ich koche innerlich vor Wut. Dieser Abschaum von Fürstensohn… Dieser, dieser… Ich werde aus meinen Gedanken gezerrt.

Madame Dussu steht vor mir und hält mir einen Besen hin. „Elura, du bist heute für das Obergeschoss verantwortlich. Putze bitte die Bibliothek und reinige die Fenster gründlich! Aber gehe den Rittern aus dem Weg!“ Ich lächle innerlich. Endlich wieder einmal das Obergeschoss! Dann kann ich vielleicht doch einen kleinen Blick auf die Ritter werfen! Die Ritter sind in unserem Dorf sehr angesehen! Doch nur ein Junge kann Ritter werden. Ihre Aufgabe ist es mit den Falkenrittern unterwegs zu sein und das Dorf zu schützen. Momentan stehen wir in einem Konflikt zwischen uns und unserem Nachbardorf. Doch der Fürst verheimlicht alle Einzelheiten…

Ich marschiere die kleine Treppe hinauf, bis zum Hintereingang der Burg. Dort nehme ich die Treppe hinauf bis in den obersten Stock. Dann öffne ich die Tür in die Bibliothek. Ich nehme meinen Besen und putze. Ich singe dabei ein altes Lied meiner Grossmutter. Plötzlich höre ich Schritte… Ich verstecke mich in einer kleinen Nische hinter einem Regal mit Landkarten. Da sehe ich, wie der Fürst mit einem seiner Berater in das Zimmer tritt und die Tür schliesst. „Ist es wirklich so ernst, gnädigster Fürst…?“ Fragt sein Berater. „O ja! Es wird Zeit das wir neue Ritter schulen und Einsatzbereit machen.“ Entgegnet der Fürst. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis Kandersteg angreift…! Mein Sohn wird selbst seine Truppe dann ernennen…“

Ich traue meinen Ohren nicht! Von einem Konflikt wussten wir. Doch nicht zwischen dem Fürst und seinem Bruder! Sein Bruder, Fürst von Mitholz, war sehr berüchtigt und bekannt für seine Machenschaften mit anderen Ländern. Ein Krieg zwischen zwei Brüder wird nicht gut enden. Denn sie sind beide Falkenritter und sehr mächtig! Und niemand weiss so genau, wie stark das Heer vom Fürst von Mitholz ist! Der Fürst und sein Berater treten wieder hinaus auf den Flur. Ich selbst löse mich aus dem Schatten der Nische und mache mich aus dem Staub.

Doch auf dem Gang renne ich geradewegs in den Fürstensohn Manico hinein. Wir taumeln und stürzen zu Boden. Er sieht mich nur voller Argwohn an und läuft ohne Entschuldigung weiter. Wir Dorfbewohner sind ein Nichts für die Fürstenfamilie. Ich würde ihm am liebsten an seinen Gurgel gehen und ihn richtig zusammenstauchen. Doch ein Falkenritter anzugreifen wäre glatter Selbstmord. Also stehe ich nur wortlos auf und marschiere hinunter zur Küche. Dort stelle ich meinen Besen hin und renne weiter.

Ich renne über die hintere Feldstrasse, die von der Burg weg führt und renne… Ich renne bis ich nicht mehr kann. Bei einem Stein auf einer kleinen Anhöhe breche ich zusammen und stütze meine Kopf auf meine Hände. Das Leben ist so ungerecht. Mein Herz schlug schon immer für Gerechtigkeit und Frieden. Mein grösster Wunsch wäre es, unser Dorf aus dieser Ungerechtigkeit zu befreien und mich zu erheben. Plötzlich höre ich ein lautes, krächzendes Zwitschern. Ich blicke nach oben und sehe einen weiss- braunen Falken mit ausgebreiteten Flügeln. Er ist wunderschön! Er fliegt weiter und landet auf einem Baum vor mir. Ich spüre, wie mich der Wind erfrischt und meine Haare kräuselt. Ich höre das Wasser, das im anliegenden Bächlein plätschert. Ich sehe wieder zu dem Falken und wünsche mir auch fliegen zu können.

Da höre ich Geschrei… Ein Trupp von Rittern führt eine junge Frau zur Burg. Ich kann es schlecht erkennen, doch ich sehe wie sie sie schlagen und in den Kerker werfen. Die Frau schreit immer wieder und sagt, sie sei unschuldig! Solche Ereignisse spielen sich hier jeden Tag ab. Jetzt stehe ich auf und laufe weiter. Ich kann nicht mit ansehen, wie die Ritter unschuldige Leute foltern und in den Kerker werfen. Mein Vater war selbst ein Opfer eines solchen Ereignisses. Er protestierte gegen die Ungerechtigkeit und wurde dafür zum Tode verurteilt. Das war der schlimmste Tag meines Lebens…! Wie er damals abgeführt und in den Kerker geworfen wurde.

Als ich dann endlich bei unserem Haus ankomme, mein Bruder sitzt draussen in unserem Garten und liest ein Buch, gehe ich ohne ein Wort hineinund lege mich auf mein Strohbett.

Am nächsten Morgen höre ich Rufe auf dem Dorfplatz. Der Fürst selbst steht am kleinen Rednerpult und sagt das alt bekannte… Doch plötzlich werde ich aufmerksam… Er sagt das sich alle geeigneten Jungs vorbereiten sollen auf die Aufnahme in die Ritterausbildung. Ich erstarre. Wie ein Blitz trifft es mich. Ich weiss innerlich was zu tun ist… Ich renne in die Küche und schnappe mir ein Messer…

Fortsetzung folgt…

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